Uhren und Tracker sind mittlerweile alltägliche Begleiter. Den gesamten Tag erfassen sie Biodaten und werten sogar aus, wie wir schlafen. Sie zählen Schritte, messen die Herzfrequenz, zeigen uns unseren Trainings- und Fitnessstatus und sagen uns, ob wir gestresst sind. Sogar die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) lässt sich über die Geräte berechnen. Und die Möglichkeiten sich selbst vermessen zu lassen nehmen immer weiter zu. Aber wie zuverlässig und genau sind diese Daten? Und was sollte ich darüber hinaus noch beachten? Ich möchte euch hier einen Überblick darüber geben, damit ihr genau diese Fragen für euch besser einordnen könnt.
Schrittzahl und Energieverbrauch
Die Schrittzahl wird tatsächlich ziemlich akkurat erfasst, wenn es auch leichte Abweichungen unter verschiedenen Modellen gibt. Ganz anders sieht es beim Energieverbrauch aus. Dort kann bisher kein Hersteller überzeugen. Vor allem wenn es darum geht, den konkreten Energieverbrauch während einer Aktivität zu tracken, also zum Beispiel wie viel Kalorien in der Stunde Jogging verbraucht werden, sind die Geräte dafür zur Zeit nicht zu empfehlen.
Herzfrequenz
Um die Genauigkeit der Handgelenksmessung beurteilen zu können, wird i.d.R. ein Brustgurt als Referenz genutzt. Und schaut man sich gemessene Herzfrequenzwerte im Mittel an, sind die Abweichungen, auch während der Erfassung von sportlichen Aktivitäten, gar nicht so groß. Abhängig von Modell und In- oder Outdoortestungen liegt die Abweichung hier zwischen +0,2 und ‑2,6 Schlägen pro Minute. Diese Werte beziehen sich auf einen Test der Garmin Fenix 8 und der Apple Watch Ultra 2 beim Laufen mit verschiedenen Tempi. Schaut man sich allerdings einzelne Messpunkte an, so liegen sie teilweise bei +/- 20 Schlägen. Das ist schon enorm. Die Apple Watch lieferte bei der Herzfrequenz bessere Daten. Die Garmin war genauer, was die gemessene Distanz angeht. Vor allem bei Intensitätswechseln, wie z.B. beim Intervalltraining, zeigt die Messung der Herzfrequenz am Handgelenk weniger akkurate Daten. Wer also gerade bei solchen Trainingseinheiten oder auch im Wettkampf auf ein genaues Tracking der Herzfrequenz setzt, sollte einen Brustgurt tragen. Bei Nutzung der Handgelenksmessung solltet ihr zudem beachten, die Pulswelle am Arm, an dem die Uhr getragen wird, nicht zu beinträchtigen. Tragt ihr beispielsweise einen Armgurt fürs Handy oder andere eng anliegende Gadgets, kann das die Messwerte beeinträchtigen.
Schlafdauer und ‑phasen
Auf Grundlage der aufgezeichneten Schlafdaten geben Uhren häufig Empfehlungen für die Leistungsfähigkeit, den Status der Erholung oder ähnliches. Aber wie zuverlässig ist das? Die Dauer des Schlafs können die Uhren ganz gut erfassen. Bei den Schlafphasen, also wann und wie lange man sich z.B. im Tiefschlaf befindet, sieht das aber schon anders aus. Dort geht aus Studien hervor, dass man sich auf diese Daten eher nicht verlassen sollte. Anders formuliert: wenn ihr euch morgens gut erholt und ausgeschlafen fühlt, eure Uhr aber etwas völlig anderes sagt, vertraut im Zweifel lieber euch selbst.
Maximale Sauerstoffaufnahme
Gerade für Ausdauersportler ist die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2 max) ein interessanter Wert zur Einschätzung und Entwicklung der Leistungsfähigkeit. Sich eine kostspielige, professionelle Leistungsdiagnostik sparen zu können klingt verlockend. Übernimmt das doch die Uhr in wenigen Minuten. Aktuelle Übersichtsstudien zeigen allerdings, dass die Abweichungen bei den Werten zwischen ‑13 und +17 Milliliter pro Minute pro Kilogramm (Einheit der VO2 max) liegt. Um das etwas anschaulicher zu machen: mein letzter gemessener Wert über die Uhr (Polar Pacer Pro) lag bei 62. Mit den Abweichungen könnte er aber auch bei 49 oder 79 liegen, das sind Welten! Auf die Werte sollte man sich entsprechend nicht verlassen. Nützlich könnte die Messung zumindest insofern sein, dass man seine Leistungsentwicklung bei Folgemessungen nachvollziehen kann. Das setzt aber die Annahme voraus, dass die Messungen ein und derselben Uhr zumindest konstant sind.
Zusammenfassung und Einschätzung
Was Sportuhren, Smartwatches und Fitnesstracker nach aktuellem Stand einigermaßen valide können, ist Schrittzahl, Herzfrequenz und Schlafdauer zu erfassen. Und sie können noch eines: zu mehr Bewegung motivieren. Dieses Potenzial sollte nicht vernachlässigt werden.
Auf der anderen Seite stehen zur Zeit nicht zuverlässig erfasste bzw. berechnete Werte, die mit einer professionellen Analyse nicht zu vergleichen sind. Selbiges gilt wohl auch für erfundene Metriken wie der Body Batterie oder der Nightly Recharge. Beachtet werden sollte darüber hinaus auch, dass eine ständige Selbstvermessung zu unnötigem Stress führen und das eigene Körperbild negativ beeinflussen kann. Entscheiden sollte schlussendlich jeder für sich, wann und welche Werte interessant sind. Perspektivisch werden die Möglichkeiten der Erfassung von Biodaten sicherlich immer umfassender und genauer werden.
Im Podcast Exercise Inside Out geht Dr. Oliver J. Quittmann detailliert auf das Thema Wearables ein. Hört euch die passende Folge dazu bei Interesse gerne an. Dort findet ihr auch die Studien, auf die sich die hier erwähnten Ergebnisse beziehen. Den Link dazu findet ihr unter dem Beitrag.
Noch ein abschließender Hinweis: ich mache hier keine Werbung für die erwähnten Marken und Geräte. Der Artikel dient ausschließlich zur Information und Kommunikation aktueller Forschungsergebnisse, die ebenfalls nicht im Interessenkonflikt stehen.
Quellen und Bildnachweis
https://open.spotify.com/episode/2whvLXPLpoapOQQCqllV2u?si=Nali2YdiQQu2sBRkwcFYZA
Foto von Artur Łuczka auf Unsplash